Geschichte des Bürgerschützenfestes

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Schützenfest wart trotzdem fiert 1

Bericht der Kreiszeitung vom Mai 2016 (Jürgen Bohlken)

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Ursprünge und Entwicklung des Bürgerschützenfestes in Harpstedt

 

Unser Flecken Harpstedt, eine Siedlung die lt. Forschung vermutlich spätestens im 8. bzw. 9 Jahrhundert entstanden ist, wird erstmalig mit dem Namen „Harpenstede“ in einer Urkunde von 1203 erwähnt. Im Jahr 1396 wurde Harpstedt von den Hoyaer Grafen zu einer Stadt oder einem Weichbild erhoben. Dieses bedeutete, dass Harpstedter Bürger über ihr Eigentum frei verfügen konnten. Gräflicher Schutz war ihnen zugesagt, ebenso die Selbstverwaltung. Die Bewohner waren im Gegenzug verpflichtet, dem Grafen mit ganzer Macht zu helfen, wann immer er ihre Hilfe gebrauchen sollte. Die Wehrfähigkeit der Männer war daher von Bedeutung. Im Umgang mit Waffen sollten sie geübt sein (Details auch auf Seite 10 des 500 Jahr-Buches).

 

In welchem Jahr in Harpstedt erstmals ein Vogelschießen stattfand, ist nirgends aufgezeichnet. Vermutlich liegt der Ursprung irgendwann in den Jahren/Jahrzehnten nach 1396.

Im ausgehenden 13. und im 14. Jahrhundert wurden vielerorts Städte und Märkte gegründet. Zum Schutz der Orte brauchte man waffengeübte Leute. So erklärt es sich, dass sich vielerorts Schützengilden oder Schützenbruderschaften entwickelten. Diese Wehrgemeinschaften, ob als Gilden oder als Gemeinschaft aller Bürger wie in Harpstedt, ohne den Status einer Gilde, sind so alt wie die Städte selber. Das Land in seinen Grenzen zu schützen, den Bürgern zu erhalten, war eine Aufgabe der wehrhaften Männer. So sind die Schnatgänge (Grenzbegehungen) zu verstehen, die wie in vielen Städten der Region, auch in Harpstedt, früher in Verbindung mit den Schützenfesten abgehalten wurden.

In den frühen Zeiten der Schützenfeste wurde mit der Armbrust auf einen bunten hölzernen Vogel geschossen, der auf einer hohen Stange (Vogelbaum) befestigt war. Von den Kreuzzügen war der Papagoy bekannt, ein bunter Vogel, wonach das Schießen als Papagoyenschießen und der Schießplatz als Papagoyenbrink ihren Namen erhielt.     

Spärlich sind die Nachrichten allerdings, die aus älterer Zeit für das Harpstedter Vogelschießen überliefert sind. Ein frühestes schriftliches Zeugnis, das uns verbindlich Kunde vom Vogelschießen in Harpstedt gibt, finden wir in einem Protokollbuch der Wildeshauser Gilde. Das Hauptarchiv in Oldenburg verwahrt ein altes Buch der Wildeshauser Schützengilde mit jährlich datierten Namenslisten der Gildemitglieder, beginnend mit dem Jahr 1482.

Dazwischen befinden sich eingebundene Aufzeichnungen über abzurechnende Kosten. So auch eine Aufstellung, aus der wir erfahren, wie ein Meister Loseke und Berent Natenstede einen Vogelbaum aus Aschenstedt und Beckeln geholt haben, Loseke auch nach Harpstedt geritten ist, um dort den Staken (Vogelbaum) anzusehen. Wie sie den Hagedorn geholt haben und was sie für die Fuhrleute, für Pferde, für Hering und Bier in Rechnung stellten.

Das Dokument trägt keine Jahreszahl. Da alle Listen ursprünglich lose Blätter waren lässt sich aus diesem Dokument keine genaue Datierung ermitteln.

Wohl finden wir die Namen der Reisenden die im Auftrag der Gilde nach Harpstedt geritten waren in den Listen der Gildemitglieder: Dyryck (Dietrich) Loseke, einmal auch Meister genannt, von 1507 bis 1513 und Berent Natenstede von 1508 bis 1513. Das „Harpstedter Dokument“ belegt also, dass in diesen Jahren bereits ein Vogelbaum in Harpstedt aufgestellt war und somit auch die entsprechenden Wettbewerbe stattfanden.

Der Harpstedter Amtsschreiber Redeker berichtet von einem Vorgang aus dem Jahre 1636 in dem der nach Beckeln ausgesiedelte Bauer Rode bittet, an dem jährlich zu Pfingsten stattfindenden Scheibenschießen teilnehmen zu dürfen. Im Laufe dieser gut 100 Jahre zwischen 1509 und 1636 werden die Feuerwaffen Einzug bei den Harpstedter Bürgerschützen gefunden haben und der Vogel hatte als Ziel ausgedient da nunmehr auf die Scheibe geschossen wurde.

Für 1668 ist der älteste namentlich bekannte Bürgerschützenkönig Harm Wortmann.

In einem amtlichen Bericht aus dem Jahr 1703 wird darüber berichtet das dem Bürger Rolf Hartmann bei dem Scheibenschießen bei unvorsichtiger Ladung einer Flinte durch den Kopf geschossen wurde. Eine Eintragung im Kirchenbuch von 1704 lautet: „Den 15. Febr. ist ohne Gesang u. Klang u. ohne Prozession begraben worden Rolff Hartmann nachdem derselbe für große Schmerzen, wegen des beim Pfingstschießen empfangenen Schusses durch den Kopf, am 5. Dito sich in der Delme ertränket hat“.

1710 war das erste einer langen Reihe von Jahren in dem laut königlicher Anordnung kein Schützenfest mehr gefeiert werden durfte. Das Verbot durch die Regierung in Hannover, das allen öffentlichen Schützenfesten galt, führte als Gründe für diese Maßnahme undiszipliniertes Verhalten der Bürger, Unordnung, Sauferei, Raufhändel und dergleichen Vorkommnisse an. Aus Regierungssicht fehlte die frühere feste Grundlage. Die Herrscher hatten Söldnerheere und fürchteten vielmehr ein bewaffnetes Volk.

Schnatgänge (Grenzbegehungen) wurden indes weiter in mehrjährigen Abständen abgehalten. Redeker schildert in seiner Chronik den Schnatgang im Jahr 1733: „Am Tage Petri und Paul, als den 29. Juni bezogen die Bürger ihre Heide- und Weide-Schnade folgendermaßen: Der Bürgermeister Carsten Horst führte sie, unter behörigen Rottmeistern in 4 Rotten verteilt mit Gewehr und klingendem Spiel und auch fliegender Fahne. Die Schnadekuhle und andere Male wurden erneuert und jedes Mal dabei Feuer gegeben. Beim Wiedereinzuge hatte jeder einen grünen Strauch auf dem Hute, und der als Bürger anwesende Reitende Förster Arend Ludwig Uhle gab ein Fass Bier aus gutem Willen zum Besten“.

Ab 1746 wurden Schützenfeste wieder gefeiert. König Georg III. erließ bereits am 30. Sept. 1741 eine Verordnung nach der alle Orte in denen früher Schützenfeste abgehalten wurden, er gnädigst bewilligte, dieses wieder gestattet ist. In den folgenden Jahrzehnten fand das Fest nicht mehr jährlich, sondern in unregelmäßigen Abständen statt. Es wurde aus den Gemeinderechnungen ermittelt, dass das Scheibenschießen 1746, 1747, 1750, 1752, 1753, 1756, 1758, 1763, 1764, 1765, 1768, 1769, 1778, 1782, 1785, 1787, 1788, 1791, 1794, 1797, 1799 und 1802 abgehalten wurde. Grenzbegehungen gab es 1751, 1766, 1779, 1788 und 1800.      

In einem Bericht von 1806 schreibt der Amtmann Friedrich Wilhelm Meyer: „Noch ist es eine alte Gewohnheit, dass die Bürger mit Musik alle 2 bis 3 Jahre ihre Grenzen zu beziehen pflegen. Dieses wird ihnen gern vergönnet und nicht streitig gemacht, die nachherigen Saufgelage aber, womit solche Grenzbeziehung sich zu endigen pflegten, sind vom königl. Regierung unterm 2. Febr. 1789 ernstlich untersaget und bei harter Ahndung verboten“.        

Ab 1803 fielen die Schützenfeste aufgrund der französischen Invasion aus. Lediglich 1811 fand es statt, danach erst ab 1814 bis 1848 etwa alle 2 bis 3 Jahre.  

Durch die Volksbewegung von 1848, die zu den Wahlen der deutschen Nationalversammlung führte, sah sich die königliche Regierung veranlasst, unter anderem die Aufhebung der Zensur und das Recht, Vereinigungen zu bilden, anzuordnen. Nun verlangten die Bürger mit Nachdruck, das Fest wieder alljährlich zu feiern, nicht mehr gebunden an eine hoheitliche Genehmigung. Vielerorts gründeten sich jetzt Schützenvereine die die Durchführung der Feste organisierten. Dem Flecken Harpstedt blieb sein Schiebenscheeten erhalten. Von 1848 bis 1914, dem Beginn des ersten Weltkrieges, wurde das Fest in Harpstedt in fast jedem Jahr gefeiert. Nur in einigen Jahren blieb die Feier aus, weil wirtschaftliche Not es nicht zuließ.

Um 1860 schreibt Bürgermeister Bade über das Schützenfest und erwähnt in seiner Notiz: „Schon seit länger als 200 Jahre feiert die Gesamtheit der hiesigen Bürgerschaft ihr jährliches Schützenfest am Tage nach dem Pfingstfest im Freien. Es ist dies nicht das Fest Einzelner, die sich zu einem Schützenverein in den letzteren Jahren seit 1848 gebildet haben, sondern ein Frühlingsfest der ganzen Bürgerschaft, an dem sich Alt und Jung beteiligt. In neuerer Zeit hat es sich nun darin ausgedehnt, dass am 2. Pfingsttage eine sogenannte Vorfeier und am Sonntage nach Pfingsten eine sogenannte Nachfeier auf dem Schützenplatz stattfindet“.

Nach dem I. Weltkrieg konnten die Bürgerschützen ihr Fest 1920 wieder feiern. Mit Unterbrechung in 1932 (der Fleckensrat hatte in seiner Sitzung am 30. April nach eingehender Aussprache in geheimer Abstimmung mit 7 gegen 4 Stimmen die Durchführung der Feier des Schützenfestes wegen schlechter Zeiten abgelehnt) wurde bis 1939 jährlich gefeiert.

Ab 1948 wird nun das beliebte Harpstedter Schiebenscheeten ohne Unterbrechung gefeiert.

Im Krieg war die Fahne von 1746 verlorengegangen. 1950 wurde die neue Fahne feierlich am 30. Mai auf dem Marktplatz geweiht. (Details siehe auch unter Pkt. Fahne)

...ein Zeitungsbericht aus der Kreiszeitung vom 16.05.2015 über das Jahr 1965

Hermann Bokelmann Bericht